WIE SCHMECKT DER FRüHLING? SICHER NICHT SO WIE DIE «FRüHLINGSBIERE»

Pünktlich wie der Heuschnupfen tauchen im Frühling grün etikettierte Spezialitäten auf. Doch die wahren Frühlingsbiere sind ganz andere.

Jetzt grünt es wieder im Bierregal. Im Frühling bringen viele Brauereien Saisonspezialitäten heraus, deren einzige Gemeinsamkeit meist eine in Frühlingsfarben gehaltene Etikette ist. Mal steckt eine Spur Holunder mit im Bier, mal ein ausgefallener Hopfen. Oft sind es lieblich-leichte Biere, die uns in die wärmere Jahreszeit begleiten sollen. 

Ich liebe ja Bierversuche. Kräuter, Gewürze, Früchte – von mir aus darf alles ins Bier, wenns gut schmeckt. Nur übertreibt es die Branche mit den Frühlingsbieren. Eine Idee wird fad, wenn sie verwässert wird. Und wenn einfach irgendein – durchaus gutes – Bier als saisonale Spezialität verkauft wird, steigt das Enttäuschungspotenzial.

In der Biergeschichte hat der Frühling durchaus seine Bedeutung. In Zeiten vor Erfindung der künstlichen Kühlung wurden Biersorten, die im Sommer nicht mehr gebraut werden konnten, im Frühling ein letztes Mal angesetzt. In Bayern war das Brauen im Sommer wegen Brandgefahr einst ganz verboten. So entstand zum Beispiel das «Märzenbier», das dank etwas mehr Alkohol den ganzen Sommer über halten sollte.

Noch mehr Wumms haben die für die Zeit vor Ostern gebrauten «Fastenbiere», die einst von der Kirche nur deshalb toleriert wurden, weil Getränke von den strengen Fastenregeln ausgenommen waren. Die flüssigen Kalorien brachten die Mönche gut genährt – und munter – durch die Fastenzeit.

Und so sind eigentlich nicht die floral-leichten Biere die wahren Frühlingsboten, sondern die intensiven Bockbiere. Vor allem in Deutschland scheint man bei saisonalen Sorten gerne auf etwas mehr Wucht zu setzen.

Apropos «Saison». Dieser Begriff wird gerne falsch verstanden. Denn damit ist in der Welt der Brauer nicht gemeint, dass ein Bier gerade gut in die Jahreszeit passt. Es handelt sich dabei vielmehr um einen eigenen Bierstil, der seinen Ursprung in Belgien hat. Spezielle Hefen machen diese Biere kantig und trocken. Gerade in der Craft-Szene trifft man derzeit oft auf die Saisonbierstile.

Die Geschichte hat durchaus mit den Jahreszeiten zu tun: Einst wurde das Saisonbier im Winter für die Feldarbeit im Sommer vorproduziert, teilweise mit Getreideresten, die für das Bier gemälzt wurden. Auf Englisch wird es deshalb auch als Farmhouse Ale bezeichnet. Und so ist eigentlich auch das Saisonbier ein Frühlingsbier – ganz ohne Holunder.

Typisch: Bier mit Frühling im Namen

In zartem Lindengrün schlingt sich die Banderole um den Flaschenhals, doch das Bier kommt eher wuchtig daher. Der «Frühlings-Bock» der norddeutschen Brauerei Störtebeker bringt 6,7 Prozent Alkohol und einen ausgeprägten Malzkörper mit, genug Hopfen sorgt für einen herben Abgang. Ein intensives Bier, nicht nur für den Frühling.

Frühlings-Bock, Störtebeker Braumanufaktur, Stralsund. Untergäriges Bockbier, 6,7% Alk., 0,5 Liter für ca. 3.50 Franken.

In dieser Kolumne schreiben der Redaktor Michael Heim, die Redaktorin Tina Fischer und der Autor Ben Müller alternierend einmal im Monat über Bier und Wein. Heim selbst ist an einer Vereinsbrauerei beteiligt.

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